Von der Ubemahme der Werke durch die Dasa bis zum Ende der Firma Fokker 1996/9T)

Am 27.April 1993 wurde Fokker durch die Daimler-Tochter Dasa (Daimler-Benz Aerospace) iibernommen. Dem Unrernehmen Fokker ging es schon seit langem nicht besonders gut. Bereits zu Beginn der 90er Jahre zeichnete sich ab, daft der anerkannte niederlandische Regionalflugzeugbauer, der sich seit dem Zweiten Weltkrieg zu so etwas wie dem Aushangeschild der niederlandischen Industrie gemausert hat, auf Dauer nicht ohne einen Partner wurde iiberleben konnen. Das Interesse der Dasa kam hier gerade zur rechten Zeit. Sie iibernahm 40 Prozent der Aktien des Unternehmens und dariiber hinaus die industrielle Fiihrung.

Die Ubemahme sollte die Abrundung der innerhalb von zehn Jahren zusammengekauften Flugzeugaktivitaten des Daimler-Benz-Konzerns sein. Dornier brachte die Turbopropmaschinen Do 228 und Do 328 mit 20 bis 30 Sitzplatzen mit. Durch die Ubemahme von Messerschmitt-Bolkow-Blohm hatte Daimler-Benz die deutsche Beteiligung am europaischen Airbus-Projekt erworben. Fiir ein Liicken schlieftendes Angebot fehlten aber zunachst Flugzeuge mit 50 bis 100 Sitzplatzen fur den Regionalverkehr. Bei der Dasa dachte man daher zunachst fiber eine Eigenentwicklung in diesem Sektor nach, was sich aber als sehr kostenaufwendig herausstellte. Der Einstieg in Fokker sollte dies scheinber verbilligen konnen.

Jurgen Schrempp, der damalige Dasa – und heutige Daimler-Chef, hatte sich hiermit aber ganz gehorig verkalkuliert. In den Jahren 1994 bis 1996 veranderte sich der Markt in grundlegender Art und Weise. Es gab einfach zu viele Anbieter. Boeing und McDonnell Douglas sorgten als Neulinge in diesem Geschiiftsbereich fiir einen erheblichen Preisverfall. Dieser betrug allein bei der Fokker 100 nahezu 30%. Der Verfall des Dollars durch die Politik des U. S. Prasidenten Bill Clinton gab Fokker dann noch den letzten Rest. Das ist auch einfach zu verstehen. Flugzeuge werden weltweit in Dollar bezahlt, aber die Produktionskosten fallen in Holland natiirlich in Gulden an. Der hollandische Gulden, genau wie die Deutsche Mark, erfuhren aber durch den Verfall des Dollars eine erhebliche Aufwertung, was in einer gewaltigen Erhohung der Produktions – und Lohnnebenkosten resultiert.

In den drei Jahren als Dasa-Tochter brachte Fokker dem Daimler-Benz-Konzern nur Verluste ein. Von den anfanglich 12 500 Arbeitsplatzen blieben bis 1996 gerade noch 7 900 iibrig. Im Jahre 1994 schossen die niederlandische Regierung und die Dasa noch einmal rand 890 Millionen DM nach. Zu diesem Zeitpunkt erkliine Holland bereits, dies sei das letzte Mai, daft es der Firma unter die Arme gegriffen habe. Aber auch diese Finanzspritze geniigte bei weitem nicht aus. Alleine 1995 machte Fokker einen weiteren Verlust von etwa emer Milliarde Gulden.

Fiir eine weitere Unterstiitzung der Firma Fokker forderte die Daimler-Benz von Den Haag eine Eigenbeteiligung von 2,5 Milliarden Mark, was etwa dem gesamten Landwirtschaftsetat der Niederlande gleichkommt. Vor diesem Blickwinkel betrachtet, erschien es bald so als w’iirde das Unternehmen Fokker fiir die Niederlande ein unbezahlbarer Luxus sein. Wahrend der niederlandische Wirtschaftsminister Hans Wijers bis zu letzt fest mit der tiefen Tasche der Daimler-Benz A. G. rechnete, konnte man bei Daimler-Benz einfach nicht glauben, daft eine Regierung wie die Niederlande ein Unternehmen wie Fokker durch die Verweigerung dieser Beteiligung tatsachlich wiirde fallen lassen.

Die Verhandlungen mit der Niederlandischen Regierung gingen noch eine ganze Weile weiter und als das letzte Angebot von Daimler-Benz, eine weitere Milliarde DM zu investieren, wenn Den Haag selbst dazu bereit ware 1,3 Milliarden beizusteuern und Forderungen in Hohe von rund 800 Millionen zuriickzustellen, von der niederlandischen Regierung abgewiesen wurde, verkiindete die Daimler-Benz, daft ab sofort keine Gelder mehr in Fokker investien werden wiirden.

Noch am Tage der Ubemahme verkiindete der damalige Dasa-Chef Schrempp selbstbewust, daft bisher keine deutsch-niederlandische Kooperation auf hohem Niveau funktioniert habe, sich dies aber nun andern wiirde. Als Schrempp zum Daimler-Chef aufstieg, hielt man das fiir eine der besten Lebensversicherungen fiir den niederlandischen Betrieb. Es sollte sich aber ganz anders entwickeln. Noch im November 1995 sprach Schrempp vor Pressevertretern von seinem "Lieblingskind" Fokker. Bereits im Januar 1996 gab er zusammen mit Daimler-Benz – Finanzvorstand Manfred Gentz und Dasa-Chef Manfred Bischoff in einer Pressekonferenz bekannt, daft ab sofort alle Zahlungen fiir Fokker mit sofortiger Wirkung eingestellt werden wiirden.

) Stuttgarter Nachrichten vom 23.Januar 1996: Das Lieblingskind an die Luft gesetzt, Inv. Nr.25, Akte Fok. allg. l. Und zahlreiche weitere Zeitungsberichte desjahres 1996.

Nach dieser Meldung aus Stuttgart, dem Firmensitz der Daimler-Benz A. G., wuftte noch niemand nchtig wie es denn nun mit Fokker weitergehen solle. Einem Gewerkschaftssprecher zufolge wiirde die Schlieftung der Fokker-Werke die niederlandischen Steuerzahler allein im Jahre 1996 etwa eine Milliarde DM kosten. Abgesehen davon wtirden auch noch Kredite von rund 800 Millionen sowie imensen Arbeitslosenzahlungen anfallen. Um Fokker noch einmal auf die Beine zu helfen, so vermuteten Finanzexperten, benotigte Fokker etwa zwei bis drei Milliarden Gulden, was in etwa der Summe entspricht, die Daimler bereits investiert hatte. Aber selbst dann, wenn die Regierung oder ein anderer Investor bereit dazu gewesen ware diese Summe aufzubringen, blieb es doch zweifelhaft ob das Unternehmen weiterhin langfristig konkurrenzfahig sein wurde.

Der Flalbjahresbericht der Daimler-Benz A. G. aus dem September des Jahres 1995 sprach von deutlich liber zwei Milliarden Mark Verlust fur das gesamte Jahr 1995. Der Hauptgrund hierfiir lag in der Tatsache, daft samtliche Auftrage im Bereich des zivilen Flugzeugbaus auf der basis eines Dollarkurses von 1,38 DM abgeschlossen wurden, was allein 1,2 Milliarden Mark kostete. In diesem Halbjahresbericht waren aber zwei weitere grofte Verluststiicke nicht eingerechnet. Zum einen die Auflosung der AEG, welche 1,5 Milliarden Mark kostete und der Ausstieg bei Fokker, der einen Verlust von 2,3 Milliarden Mark brachte. Damit muftte die Daimler-Benz A. G. einen Gesamtverlust von rund sechs Milliarden Mark hinnehmen. Nach Schrempps Angaben war dies ein aufterordentlich schlechtes Ergebnis, das von aufterordentlich schlechten Maftnahmen gepriigt wurde.

31 Monate nach der Ubernahme der Firma Fokker wagte der damalige Daimler-Benz Chef und Initiator der Ubernahme Fokkers, Edzard Reuter, die Ankiindigung daft der Konzern im Jahre 1995 einen Gew-innanstieg um etwa einem Drittel verzeichnen konnte. Gleichzeitig stellte er aber den Vorbehalt auf, die derzeitigen Wahrungsturbolenzen berechtigten hierbei zu Zweifeln. Er hielt sich also wohlweislich sehr mit seinen Vorraussagen zuriick, da er wohl von Anfang an gewuftt haben musste, daft das gesamte Vorhaben zwar ihm und einigen anderen Kopfen personlichen Geld-Gewinn einbringen, aber den Fokker-Werken kaum helfen wtirde. Gegen Ende Juni des Jahres 1995 gab es dann die ersten offiziellen Verlautbarungen, daft Daimler-Benz auf Grund der Wahrungsverschiebungen einen empfindlichen Verlust zu erwarten hatte. Anschlieftend ging es mit dem Absturz der Fokker-Werke rapide voran. Zunachst kiindigte der Reuter Nachfolger Schrempp eine Reduzierung der Konzernzentrale in Stuttgart-Mohringen von 200 auf 300 Manager an. Danach folgte der Abbau von 8 800 Arbeitsplatzen bei der Dasa, um weitere Gewinne im Airbus-Geschaft auch bei einem Dollarkurs von 1,35 DM zu gewahrleisten. Eine Woche vor Bekanntgabe der Einstellung der Zahlungen an Fokker, wurde die Auflosung der AEG nach langen Spekulationen und imensen Verlusten endgiiltig beschlossen. Dann folgten die Konsequenzen der aussichtslosen Situation bei Fokker.

Zu dem Zeitpunkt als dies geschrieben wird, werden in Amsterdam in Sonderschichten die letzten Flugzeuge montiert, bevor das Werk endgiiltig in die Geschichte eingeht. Mit diesen traurigen Ereignissen findet 57 Jahre dem Tod von Anthony Fokker auch seine Firma ihr Ende.