Der Begin n der Produktion von Verkehrsflugzeugen
In Deutschland, genau wie in vielen anderen Landern Europas wurde ab 1919 damit begonnen iiberzahlige, veraltete Bomber und Aufklarer zu Transportflugzeugen und Passagiertransportern umzubauen. Derartige Maschinen waren ja nun in groBer Zahl von den Militars zu giinstigen Konditionen zu erwerben. Die Umbauten erfolgten zumeist mit den primitivsten Mitteln und die Ergebnisse boten den Passagieren bei weitem nicht so viel Komfort, wie es ein speziell fiir diese Zwecke entworfener Тур hatte tun konnen. Nur wenige Firmen erkannten die Notwendigkeit genau solche Flugzeuge von ihren Konstrukteuren neu entwerfen zu lassen, wenn sie den Anforderungen der Nachkriegsjahre entsprechen sollten.
Bereits 1917 wurde die Deutsche Luftreederei ins Leben gerufen. Ihr Ziel war die Verkehrsluftfahrt nach dem Krieg so schnell wie moglich aufzunehmen. Hierfiir wurden neue Flugzeuge benotigt).
Die ersten Anstrengungen, die in dieser Richtung unternommen wurden, formierten sich in einer vergroBerten Version der Fokker D. VIII, die hinter dem Cockpit Raum fiir sechs Passagiere in jeweils zwei Reihen mit drei hintereinander angeordneten Sitzen bot. Es wurde noch wahrend dem Bau klar, daB die F. I nicht das war, was man sich urspriinglich vorgestellt hatte und so begannen die Arbeiten an einer verbesserten Variante, der F. II.
Die damaligen Bestimmungen in Deutschland forderten, daB jedesneue Verkehrsflugzeug eine Zulassung haben muBte, die von der D. V.L. (Deutsche Versuchsanstalt fiir Luftfahrt) in Adlershof nach eingehenden Untersuchungen erteilt werden konnte. Man bat darum, daB dem Werk ein Ingenieur zu Verfiigung gestellt wird, welcher die Versucher in Schwerin iiberwachen sollte. Die Leitung der D. V.L. oblag mittlerweile demselben Herrn, der vor kurzem noch einen bosen Brief beziiglich der Schlamperei der D. VIII geschrieben hatte – Hauptmann Hoff. Er sandte daraufhin Diplom Ingenieur Bethge nach Schwerin, um die Versuche durchzufiihren. Die F. II stellte sich als extrem sicher heraus und erhielt ihre Zulassung ohne Probleme. Die Probefliige des Prototyps fiihrte Adolf Purge durch[44] [45]).
Es wurde weiterhin an der Verbesserung der F. II gearbeitet. Daraus entstand die F. II3, die eine Idee des Mechanikers Kiirth beinhaltete. Fokker befand diese Maschine fur gut und liefi sie sich unter der Nummer D. R.P. Nr. 375.875 im Jahr 1921 patentieren. Hierbei sollte der Pilot weiter vorne und neben dem Triebwerk seinen Sitzplatz bekommen. Auf diese Weise war auch mehr Raum fur Passagiere und Fracht vorhanden. Die K. L.M. war der Hauptinteressent fiir den Erwerb dieser Maschine. Die
Fluggesellschaft setzte sie auf der Strecke Koenigsberg-Moskau ein.
Nachdem Fokker im Januar 1919 nach Holland ging und dort im Marz 1919 Sophie Marie Elisabeth von Morgen heiratete ’), grundete er im August 1919 die Nederlandsche Vliegduigenfabriek in Amsterdam. Zu diesem Zweck zog er in die grofien Hallen in Amsterdam ein, die zuvor von der ELTA (Eerste Luchtvaard Tentoonstelling, Amsterdam) genutzt wurden. Ermutigt wurde er dazu von den Amerikanern deren Erfahrungen mit Fokker-Flugzeugen derart gut waren, daft sie gerne weitere Modelle in ihre Dienste stellen wollten2).
In der Mitte des Jahres 1921, holte Fokker auch Reinhold Platz nach Holland, wo er zunachst in den Fabrikationsstatten in Veere beschaftigt wurde.
Beglaubigte Heimsurkunde Inv. Nr.29, Akte Fok. allg. l. ‘ Fokker: Der Fliegende Hollander, S.317, 1933.
Fokker besuchte mehrmals die Staaten und konnte sich don ein gutesBild davon machen wie Flugzeuge fiir die U. S. Army aussehen mufiten. Auf diesem Wissen aufbauend leitete er an, die entsprechenden Prototypen zu bauen. Mit den Vereinigten Staaten machte Herr Fokker in der Folge sehr gute Geschafte und verkaufte unter anderem die Typen D. IX, D. X, F. IV und C. III. Das Geschaft bliihte wieder wie in alten Kriegstagen. Die F. IV erhielt die Militarbezeichnung T-2 und absolviene am 2. und З. Маі 1923 einen Rekordflug. Im Non-Stop-Flug nahmen die Offiziere John Macready und Oakley Kelly die Strecke vom Roosevelt Field in New York zum Rockwell Field in San Diego. Der Flug dauerte 27 Stunden. Zumindest bis zum Jahre 1933 wurde diese T-2 Seite an Seite mit einer erbeuteten D. VII im Smithsonian Institution ausgestellt).
Aber auch die Entwicklung von zivilen Verkehrsflugzeugen machte Fortschritte und es entstanden, aufbauend auf der F. FV, die F. V und die F. VIL Die F. VII durchlief einige Modifikationen und wurde in F. VIIA umbenannt. Eine Version der F. VIIA erhielt zwei weitere Triebwerke unter die Tragflachen montiert. Dies war die F. VLLA/3M. Ihre Nachfolgerin, die verbesserte F. VIIB/3M ging zusammen mit der Ford Trimotor in die Geschichte der Nachkriegs-Verkehrsluftfahrt ein. Die Maschine von Ford und von Fokker waren sich aufterlich sehr ahnlich. Inwieweit, und ob iiberhaupt, hierbei voneinander abgekupfert worden, wie es Fokker in seiner Biografie andeutet, ist entzieht sich unserer Kenntms.
Anthony Fokker hatte die Produktion von Militarflugzeugen weiterhin fest ins Auge gefaftt und stellte auch weiterhin Kampfflugzeuge her, die an die verschiedensten Nationen verkauft wurden.
Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen hierbei war die Fokker D. XIII. Sie wurde mit dem 450 PS starken Napier Lion V-Triebwerk ausgestattet. In den Leistungen war es alien anderen Jagdflugzeugen seiner Zeit weit iiberlegen. Ihre Geschwindigkeit wurde mit 280 km/h gemessen. Sie wurde in groften Stiickzahlen von Deutschland und Russland gekauft.
Deutschland? Russland? Wie kam Russland dazu? Wie sollte Deutschland an Kampfflugzeuge gelangen, wo doch das Versailler Diktat die Nutzung solcher und anderer Waffen in der Deutschen Reichswehr verboten hatte? Hinter der Beantwortung dieser Fragen steckt etwas mehr als ein einfacher Bestellschein, welcher Fokker von der Reichswehr iibergeben wurde. Und um alle Zusammenhange verstehen zu konnen, muE man sich die damalige politische Situation in der sich die deutsche Nation befand naher betrachten.
Nach der erzwungenen Unterzeichnung des Diktats von Versailes stand Deutschland mit dem Riicken wehrlos an der Wand. Als die besiegte Nation machten alle anderen Kriegsteilnehmer ihre Forderungen iiber Reparationen und Wiedergutmachungen gegeniiber der besiegten Nation geltend. Die Summe der zu bezahlenden Reparationen wurde aber nie genau festgelegt. Da in Versailles unter den Siegern keine genaue Endsumme festgelegt werden konnte, wurde in Paris unter franzosischer Fiihrung die Reparationskonferenz einberufen, die bis zum 1.5.1921 einen Zahlungsplan aufstellen sollte. Bis dahin waren von deutscher Seite entsprechend dem Artikel 235 des Versailler Diktates 20 Milliarden Goldmark in bar und in Sachwerten an die Sieger zu zahlen. Ab 1920 tagten mehrere alliierte Konferenzen, die sich mit der Summe der Reparationszahlungen befaftten. Die Konferenz von Boulogne (20. – 22.6.1920) forderte mindestens drei Milliarden Goldmark jahrlich. Die Konferenz von Paris (24. – 29.1.1921) verlangte 226 Milliarden Goldmark in von zwei bis sechs Milliarden GM ansteigenden Jahresraten bis 1963. Das Ultimatum von London vom 4.5.1921 forderte gar bei Androhung der Besetzung des gesamten Ruhrgebietes die bedingungslose Anerkennung einer Reparationsschuld von 132 Milliarden Goldmark bei Jahreszahlungen von bis zu 2 Milliarden Goldmark und obendrauf die jahrliche Abgabe von 20% des deutschen Exports. Dieser unglaublichen Forderung wurde von der Regierung Wirth am 11.5.1921 nachgegeben. Der Reichstag billigte das Londoner Ultimatum mit 220 zu 172 Stimmen. Es handelte sich also um Forderungen, deren Besvaltigung fiir Deutschland von vornherein nicht moglich waren. Eine derart hohe Summe zahlen zu milssen war fiir das deutsche Reich unmoglich und so wurde von deutscher Seite aus um Stundungen ersucht. In der Konferenz in Cannes vom 6. – 14.1.1922 gaben die alliierten etwas nach, aber wegen geringfugigem Riickstand in den Zahlungen drohten Frankreich und Belgien mit dem Einmarsch ihrer Truppen in das Ruhrgebiet. Frankreich erklarte daraufhin, daft das deutsche Reich nicht zur Zahlung der Reparationen bereit sein wiirde. Dies wurde in Deutschland mit Entsetzten wahrgenommen und stellte eine Provokation ohne gleichen dar. Fiir den Fall, daft dies eintreten sollte, wurde Frankreich sofortige militarische Aktionen gegen eine Invasion angedroht. Aber die Reichswehr war in ihrer Wehrfahigkeit durch das Versailler Diktat derart geschwacht, daft sie nicht in ‘) Fokker: Der Fhcgende Hollander, S.357, 1933.
der Lage war etwas dagegen zu unternehmen. Es folgte der Einmarsch der Franzosen und Belgier und die Besetzung des Ruhrgebietes am 11.1.1923. Die Reichsregierung rief zum "passiven Widerstand" der deutschen Bevolkerung auf und stellte samtliche Zahlungen an Frankreich und Belgien ein. Der passive Widerstand endete am 23.9.1923. Bis 1931 hatte das deutsche Reich die Summe von 53 Milliarden Goldmark an Reparationen gezahlt. Die wahnwitzigen Forderungen der Alliierten an Reparationen trugen in wesentlichen Teilen zur Vernichtung der deutschen und internationalen Wirtschaft, zur Inflation im Jahre 1923, zur Weltwirtschaftskrise 1929 und zum Scheitern der Weimarer Republik bei. (Nach dem zweiten Weltkrieg wurde im Londoner Schuldenabkommen vom 27.2.1953 beschlossen, dafl Deutschland seine Vorkriegsschulden, also die noch ausstehenden Zahlungen an Reparationen des ersten Weltkrieges, zusatzlich zu den Forderungen des 2. WK noch zu leisten habe1).
Auch im Osten brodelte die politische Lage heftig. Das, durch das Diktat von Versailles aus der Erde gestampfte Polen, bedrangte mit seinen regularen Soldaten die deutsche Grenze. Auf Schutz durch die Alliierten konnte man in dieser Situation nicht hoffen. Im Gegenteil, Frankreich und England schienen Polen zu diesen Aktionen zu ermutigen, weil Polen einen Beistandspakt ohne Gegenleistung erhielt. Aus Angst vor dem polnischen Verlangen noch groflere Stiicke des verbliebenen deutschen Reiches fiir sich in Anspruch zu nehmen, ging die Reichsregierung einen Vertrag mit Russland ein, dessen Inhalt es war, dafl Russland fiir den Fall einer polnischen Invasion Deutschland den notigen Beistand geben wurde. Polen hatte ohnehin nicht die besten Beziehungen zu Russland. Etwa zur gleichen Zeit, als franzosische Truppen das Ruhrgebiet besetzten, griffen polnische Einheiten die ostdeutsche Grenze an. Einheiten der Reichswehr konnten die Angreifer aber unter groflen Verlusten auf polnischer Seite zuriickschlagen. Zwischenfalle dieser und ahnlicher Art werden vor dem Hintergrund der nachfolgenden Geschichte peinlich unterschlagen und in keiner Weise aufgewarmt.
Bereits 1922 trat ein geheimes Abkommen zwischen der Reichsregierung und Herrn Fokker in Kraft, dessen Inhalt vorsah, dafl Fokker an Deutschland, fiir den Fall, dafl es das wolle, neue Flugzeuge mit voller Ausriistung liefern wurde.
Im Sommer 1923 fand ein Treffen zwischen Anthony Fokker und Funktionaren der Reichswehr statt, in dem unter strengster Geheimhaltung die Einzelheiten einer solchen Lieferung besprochen wurden. Fokker sollte fiir das erste einmal 50 Fok. D.XIII liefern. Diese wiirden ausgeriistet mit neuen LMG 08/15, welche von der Reichswehr beschafft werden sollten. Da diese Flugzeuge nicht offensichtlich an die Reichswehr geliefert werden konnten, wurden sie an eine Scheinfirma in Valparaiso geschickt. Dort kamen sie aber me an und wurden "versehentlich" an eine Adresse in Lipezk geliefert. Es sollte niemanden verwundern, wenn er feststellt, dafl Lipezk in Russland liegt. Don iibernahmen sie deutsche Soldaten. Die Reichsregierung ermutigte auch Russland zum Erwerb von Fokker-Typen, was es dann auch tat. Und wieder belieferte Fokker das deutsche Militar2).
Mit diesen Flugzeugen begann der Neuaufbau und die Remilitarisierung der Reichswehr wahrend der Weimarer Zeit.