Der Weg nach Holland

Fur den Fall des Zusammenbruchs und der Notwendigkeit sich absetzen zu miissen, hatte Flerr Fokker in den letzten Monaten des Jahres 1918 eine Langstreckenversion der V.3S in Schwerin bereitgestellt gehabt. Dieses Flugzeug war bis obenhin voll mit Benzin fur eine Nonstop-Flugdauer von sechs Stunden und rund umdie Uhr startbereit. Allerdings konnte er diese Fluchtmoglichkeit nicht nutzen, da kurz vor dem endgiiltigen zusammenbruch des Reiches und der Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages in Deutschland eine Revulotion ausbrach und kommunistische Subjekte wahlos die Macht in den einzelnen Industriezweigen an sich rissen. Jede Bewegung der Industriellen wurde genauestens iibwacht. Auch Fokker stand unter genauer Beobachtung1).

Fokker sah sogar sein Leben durch diese rote Macht bedroht. Kurz nach der Ausrufung des Waffenstillstandes gab er die Anordnung, alle brauchbaren Materialien und Flugzeuge auBerhalb der Fabrikanlagen m unscheinbaren Scheunen und dergleichen einzulagern, urn sie dadurch vor dem Zugriff durch die Siegermachte zu bewahren. Im Ganzen versteckte er auf diese Weise ca. 220 Flugzeuge und etwa 400 Motoren, sowie einer Unmenge an anderen Materialien.

All das kam den roten Arbeiterraten der Schweriner Werke natiirlich sehr seltsam vor und es mehrten sich in Ihren Kopfen die Anzeichen dafiir, daB Fokker versuchen konnte sich ins Ausland zu retten. Er mufite ernsthaft fiirchteten, daft es ihm in Schwerin an den Kragen gehen konnte und zog es daher vor, sich der Bewachung zu Entziehen und nach Berlin zu fahren. Er begab sich dann auch unter Begleitung von vier Leibwachtern nach Berlin, wo er noch einige geschaftliche Dinge klaren muBte und setzte sich spater dann im Stillen nach Holland ab, wo er zunachst die Hallen einer ehemaligen hollandischen Marinebasis in Veere mietete.

Bevor er sich jedoch nach Holland absetzen konnte, war er natiirlich bestrebt auf irgend eineArt und Weise die zuvor in Sicherheit gebrachten Flugzeuge und Motore nach Holland zu bekommen. Die Planung fiir dieses Unternehmen machte Heinrich Mahn. Er war bei Fokker der Chef der Logistikabteilung und fiir den Transport von Flugzeugen mit der Eisenbahn verantwortlich. Unter groBen Anstrengungen und der Mitarbeit von treuen Arbeitern, denen Fokker versprach sie mit nach Holland zu nehmen, wurden die Flugzeuge, Motore und sonstigen Materialien auf Lastkraftwagen geladen und zu der Niederlassung Fokkers in Schwerin-Gorries transportiert. Das Flugfeld in Gorries war fiir eine solche Aktion deshalb so gut geeignet, da bereits 1916 damit begonnen wurde, ein AnschluBgleis direkt an die Hallen zu legen. Die nachste groBe Schwierigkeit, die auf Herrn Mahn zukam war die Organisierung der notigen Anzahl von Eisenbahnwaggons, die fiir den Transport nach Holland benotigt wurden. Heinrich Mahn sprach mit den verantwortlichen der Grofiherzoglichen General-Eisenbahndirektion, mit denen er friiher schon die regularen Transporte der Fokker-Flugzeugwerke G. m.b. H. durchfiihrte. Es gelang ihm tatsachlich, sie zur Kooperation zu bringen. Um ihre Gewissen etwas zu entlasten, machte er den Frauen der Herren groBziigige Geschenke. Unter anderem vergab er auch fast ‘) Fokker: Derflicgcnde Hollander, S.285, 1933 neuwertige Nahmaschinen, von denen die Fokker-Werke jede Menge besafien. Aber auch Seide, die wahrend des Krieges zur Vorbeugung von Leinenknappheit massenhaft gekauft wurde, konnte er verschenken. Die notwendigen Wagen wurden beschafft und das Material auf die Waggons geladen. Die einzelnen Ziige, die so zusammengestellt wurden, bestanden aus jeweils 60 Waggons. Auf diese Weise wurden sie zu lang um sie an den wichtigen Knotenpunkten des Eisenbahnnetzes, wie zum Beispiel Hannover, das auf dem Weg lag, auf Nebengleisen zur Kontrolle abstellen zu konnen. Damit wurde eine genaue Inspektion der Ladung durch alliierte Kontrollstellen erheblich erschwert. Der deutsche Zoll war kein Problem, da die Zollbeamten ohnehin nicht auf der Seite der Alliierten standen, und nichts dagegen hatten etwas des deutschen Kriegsmaterials vor der Vernichtung zu retten. Bevor der erste Zug die Grenze nach Holland erreichte, ging ein falscher Hinweis bei den Alliierten ein, der besagte, daft ein illegaler Transport die Grenze an einer anderen Stelle iiberfahren wollte. Auf diese gerissene Weise, bei der weniger wichtige Waren geopfert wurden um kein Mifitrauen aufkommen zu lassen, gelang es nach und nach, innerhalb von sechs Wochen, das gesamte Material, verteilt auf nahezu 350 Waggons iiber die Grenze zu bringen. Unter den geschmuggelten Materialien befanden sich ca. 220 Flugzeuge vorwiegend der Typen D. VII, D. VIII und C. I, teilweise komplett fertiggestellt und teilweise noch im Bau befindlich. Ebenfalls auf den Waggons befanden sich kaum vorstellbare Mengen an Stahlrohren, Kupfer und Stahlen, Gummiseilen, Blechen, Holzern, Furnieren, Schrauben Bespannstoffe und Farben, Spannlacke und Spanndrahte und vieles weiteres mehr1).

Der groftte Teil der so geschmuggelten Flugzeuge wurde von Fokker an Holland verkauft.