Die Prototypen VI, V 2 und V.3

Genau wie Anthony Fokker war auch der Chefingenieur der Fokker-Werke der Ansicht, daft fast alle der damaligen Flugzeugentwicklungen viel zu kompliziert aufgebaut waren und, daft einfachere Konstruktionen erstens viel einfacher zu bauen seien, zweitens einfacher zu handhaben und zu warten waren sowie drittens urn einiges funktioneller und zweckmafiiger sein wtirden. Die Ideen, die das Entwicklungsbiiro verfolgte waren simpel. Das neue Flugzeug mufite klein sein, um die Wendigkeit zu erhohen, die Konturen muftten klar verlaufen, um die Geschwindigkeit zu optimieren, die Tragfliigel muftten frei von jeglicher auftenliegender Verspannung sein, um den Bau und das Auf – und Abbauen zu erleichtern. Abgesehen von diesen Punkten mufite es ein Doppeldecker sein, da die Militars nach solchen verlangten.

Nachdem die Ideen skizziert waren, wurden einzelne Bauelemente verschiedenen Belastungsproben unterzogen, die sie grofttenteils mit Bravour bestanden, und wo sie das nicht taten wurden sie eben entsprechend umkonstruiert.

Es fand zum ersten mal bei Fokker die Durchfiihrung einer neuen Entwicklung bis zur Verwendungsfahigkeit des Endproduktes statt. Aus diesen Forschungen und Experimenten ging das erste Flugzeug mit "V"-Kodierung hervor, die Fokker V. l. Dieses Flugzeug war eine Revolution in sich und besafi derart klare Ziige, daft es allein dadurch schon auffiel.

Um ein entsprechend hohes Tragheitsmoment fiir die verspannungsfreien Tragflachen zu bekommen, muftten die Fliigel extrem dick ausfallen, um die massiv anmutenden Holme aufzunehmen. Zum Vergleich sei hier erwahnt, daft die damals iibliche Fliigeldicke bei ca. 5%

Die Prototypen VI, V 2 und V.3

Werkszeichnung der Fokker V.2 (D. VII) ¥N 1533

Die Prototypen VI, V 2 und V.3

Werkszeichnung des Fahrwerks der V.2 (D. VII) WN 1533

 

Werkszeichnung der Achsverkleidung der V.2 (D. VII) WN 1533

 

Die Prototypen VI, V 2 und V.3

der Fliigeltiefe lag. Die Tragflache der V. l hatte erne Dicke von etwa nahezu 20%, was natiirlich auf den ersten Blick extrem unvorteilhaft erschien. Das Fliigelprofil der V. l war in erster Linie so dick, damit die massiven Holme aufgenommen werden konnten. Dieses Profil erwies sich als derart giinstig, daF es nahezu unverandert bei samtlichen Hochdeckern, die folgten, verwendet wurde. Eine zusatzliche Bauweise, die dem Fliigel selbst eine sehr hohe Stabilitat gab, war deren Beplankung mit Birkensperrholz.

Es ist in diesem Zusammenhang einmal ganz interessant auf den Ursprung der Idee dieser freitragenden, sperrholzbeplankten Flugelkonstruktion einzugehen. Im allgemeinen wird angenommen, diese Bauausfiihrung sei auf eine Idee von Rheinhold Platz oder gar Fokker selbst zuriickzufiihren. DaF dem nicht so ist, beweist ein Briefwechsel zwischen dem schwedischen Ingemeur Villehad Forssman und Fokker aus dem Friihjahr 1916. Forssman besaF ein Patentbiiro in Berlin, das alle Patentfragen Fokkers bis dahin behandelt hat. Dieser Briefwechsel wurde erst vor einigen Jahren dem bekannten amerikanischen Historiker Peter Grosz durch die ehemaligen Fokker Flugzeugwerke in Amsterdam fur seine Forschungen zur Verfugung gestellt und Kopien davon liegen auch uns vor.

Gemafi seiner Politik wollte Fokker eine weitere Variante gebaut haben, die mit einem Reihenmotor ausgestattet werden sollte. So entstand die Fokker V.2. Bis auf das Antriebsaggregat, einem 160 PS starken Mercedes Motor, war sie mit der V. l identisch, wobei hier natiirlich durch Mosers Mitarbeiter samtliche notigen Anderungen vorgenommen wurden, die mit der Ausriistung des wesentlich schwereren Motors zu tun batten. Die Tragflachen wurden verstarkt und vergroFert, der Rumpf ebenfalls. Die V.2 durchlief noch einige Modifikationen. Hierbei wurde unter anderem der Oberfliigel weiter vom Rumpf entfernt angebracht und erhielt einen Kiihler an der Fliigelnase. Weiterhin wurde das Leitwerk in eine konventionellere Form umgeandert und glich nun dem der Jagdflugzeuge der Firma Albatros. Die Anderung des Leitwerks wurde von Fokker auf Anregung von Manfred von Richthofens vorgenommen, der das Albatrosleitwerk als sehr voneilhaft empfand. Diese Anderungen brachten auch die Abanderung der Bezeichnung des Flugzeugs mit sich, das von nun an V.3 hieF. Alte Fokker Werkszeichnungen identifizieren die Maschinen V.2 und V.3, wie wir oben gesehen habe, auch als Fokker D. VII. Es sei hier ausdriicklich darauf hingewiesen, daft die Modifizierung der V.2 zur Typenbezeichnung V.3 fiihrte und nicht der erste Prototyp des Dr. I die Werksbezeichnung V.3 trug, wie es haufig dargestellt ist.

DieFrage, warum diese drei neuen Typen nicht auf Interesse bei der Idflieg gestoFen sind istnicht beantwortet. Tatsache bleibt, daF man bei Fokker die weitere Entwicklung von anderen Flugzeugen vornahm).

Abjanuar 1917 war die deutsche Fliegertruppe wieder in der Lage die Luftherrschaft zuriick zu gewinnen. Das lag daran, daF mittlerweile die neuen Albatros-Typen D. III und D. V mit den leistungsstarken Mercedes – Trie’bwerken an der Front eingefiihrt wurden.

Mil diesen neuen Flugzeugen war es unseren Fliegern moglich, sich innerhalb ktirzester Zeit wieder den Respekt lhrer Gegner zu erringen.

‘) Fokker: Der flicgende Hollander, S.209, 1933. Uber das Verhalten der nach Schwerin entsandten Kommission, welche die V. l beurteilen sollte, schrieb Fokker folgendes witziges: "… Wir stiegen aus шиї ich fiihrte sie an den Startplatz, wo mem feiner neuer Doppeldecker in all seiner Schonheit schon wartctc. Er war unter etwa einem halhen Dutzend anderer mchtssagender Typen sofort herauzukennen, trotzdcm machte ich mit der schlcchtverhehlten Freude des glucklichen Erzcugers eine weit ausladende Handhewegung nach ihm hin und sagte: »Meine Herren, hitte schauen Sie!« Sicschauten • in eisigem Schweigen. Sie starrten die Maschine an und gingen um sie herum, vorsichtig, als oh sie Angst hatten, sie wurde beissen. Einer stcllte vemundert die idiotische Frage, wie eigentlich die Fliigel festgemacht seien, als oh ich ein Lehrling ware, dem erst die A nfangsgrunde der Mechanik hcigebracht werden miissten. Sie fassten die Fliigel an, als oh sie zweifelten, dass sie wirklich da seien. Sie riittelten an den Fliigcln, als oh sie crisrtcten, sic wiirden gleich ahfallen. Sie stiessen mit der Faust in den Flugzeugkorper, als oh sie nicht iiherrascht sein wurden, wenn er sich plotzlich in einen Kiirbis verwandelte. Wie auf Kommando hegannen sie mit komischem Ernst die Kopfe zu schiitteln – es war das reinste Operettentheater!"

In dieser Darstellung fuhr Fokker fort und berichtete, daft sich auch nach dem Vorfliegen der Maschine, in der er sie alien moglichen Beanspruchungen unterwarf, die Kommission nicht entscheiden konnte, das Flugzeug fur den Fronteinsatz zu empfehlen. Als Begrundung gaben die Herren an, daft die Frontpiloten der "wackeligen" Erscheinung des Flugzeuges kein Vertrauen entgegen bringen konnten. Moglicherweise ist dies tatsachlich der Grund fur das Dessmteresse der Heeresverwaltung, schliefilich kann ein Pilot, der seiner Maschine nicht voll und ganz vertraut, nicht alles aus lhr heraussholen, wenn es zum Gefecht mit einem Gegner kommt.